Blindengeld

BSG: Cerebral schwerst geschädigte Kinder nicht länger vom Blindengeld ausgeschlossen

Urteil vom 11.08.2015 (Az:B 9 BL 1/14 R)

Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass auch schwerst Hirngeschädigte, die nicht sehen können, einen Anspruch auf Blindengeld haben. Anders als bisher entschieden ist nach den Ausführungen des BSG nicht mehr erforderlich, dass die Beeinträchtigung des Sehvermögens noch deutlich stärker ausgeprägt sein muss als die Beeinträchtigung sonstiger Sinneswahrnehmungen, wie beispielsweise Hören oder Tasten. Die Richter gaben damit einem mehrfachbehinderten zehnjährigen Jungen Recht, der wegen einer Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff nicht mehr sehen kann und schwermehrfachbehindert ist. Zuvor hatte das Land Bayern den Antrag auf Blindengeld abgelehnt, weil das Sehvermögen nicht wesentlich stärker beeinträchtigt sei als die übrigen Sinnesmodalitäten. Das Landessozialgericht Bayern hatte diese Ansicht in der Vorinstanz bestätigt.

Das Bundessozialgericht, welches für den Nachweis einer schweren Störung des Sehvermögens vor dieser Entscheidung verlangt hatte, dass die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen sein müsse als die Wahrnehmung mit anderen Sinnen, gab seine bisherige Rechtsprechung auf und sprach dem Kläger Blindengeld zu. Zum einen lasse sich gerade bei schwermehrfachbehinderten Kindern eine spezifische Störung des Sehvermögens medizinisch kaum verlässlich feststellen. Zum anderen sei auch gerade unter dem Aspekt der Gleichstellung behinderter Menschen vor dem Gesetz nach Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG materiell rechtlich keine Rechtfertigung mehr für dieses zusätzliche Erfordernis zu finden. Das BSG konnte keinen hinreichenden sachlichen Grund dafür erkennen, dass zwar derjenige Blindengeld erhalten solle, der „nur“ blind sei, nicht aber derjenige, bei dem zusätzlich zu seiner Blindheit noch ein Verlust oder eine schwere Schädigung des Tastsinns oder sonstiger Sinnesorgane vorliege, bei dem aber nicht von einer deutlich stärkeren Betroffenheit des Sehvermögens gegenüber der Betroffenheit sonstiger Sinnesorgane gesprochen werden könne. Auch in den Fällen, in denen neben dem fehlenden Sehvermögen weitere oder alle Sinnesorgane schwer geschädigt seien, ändere dies nichts daran, dass der Betroffene sowohl in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht blind sei. Demgemäß sprach das BSG dem Kläger einen Anspruch auf Blindengeld zu.

Zur Übersicht „Recht & Ratgeber”

Der BVKM erhält seit vielen Jahren das DZI-Spendensiegel

Der bvkm wird durch die GKV-Gemeinschaftsförderung Selbsthilfe auf Bundesebene, vdek, AOK-Bundesverband, BKK Dachverband, IKK, Knappschaft & Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau gefördert.